Eine sozialdemokratische Weihnachtsgeschichte

18. Dezember 2022

Eine sozialdemokratische Weihnachtsgeschichte

von Heinz Droste, Beisitzer der SPD Lechhausen

Die folgende Schlussfolgerung, ein sogenannter Syllogismus, ist von Aristoteles, einem der grössten europäischen Philosophen inspiriert. Die Schlussfolgerung kann in dem Sinne wahr bzw. richtig genannt werden, da sie einerseits aus den beiden Vorder-Sätzen besteht, die menschliche Erfahrung wiedergibt. Der schlussfolgernde dritte Satz ist „lediglich“ die logische Konsequenz aus ihnen:

  • Alle Menschen streben danach, ein glückliches und erfülltes Leben zu führen.

  • Kein Mensch kann sein glückliches und erfülltes Leben allein finden.

  • Alle Menschen müssen sich mit anderen Menschen verbinden, um ihr glückliches und erfülltes Leben zu finden.

Man kann sagen, dass in dieser Schlussfolgerung die ganze menschliche Weisheit zur Bildung einer glücklichen Bürgergesellschaft enthalten ist. Das höchste Ziel für uns Menschen wird darin benannt und auch zugleich das Mittel, dieses Ziel erreichen zu können.Man kann die politische Weisheit des Staatsphilosophen Aristoteles so zusammenfassen:

„Die Entwicklung der Gemeinschaften endet mit der Polis, die erst das guteLeben ermöglicht und damit um des höchsten Zieles willen besteht.“{1}

Die Polis bzw. der Staat schafft das durch eine gute Verfassung, also durch gute Gesetze, durch gute Führer bzw. Politiker und durch gute Gerichte und gute Bürgerversammlungen, in denen nur freie sogenannte Bürger mitreden und mitentscheiden durften. Eine ziemlich moderne Ansicht, wenn man davon absieht, dass zu Zeiten des Aristoteles Frauen, Kinder, freie Hausangestellte und Sklaven nicht mitreden und mitbestimmen durften. In unserer Zeit, über 2.000 Jahre nach Aristoteles und anderen politischen Vordenkern, denken wir über die gleichen Fragen nach. Was macht uns heute glücklich, wie wird heute ein Staat verfasst, damit er unserem Streben nach einem glücklichen und erfüllten Leben dient. Die Frage für uns heutige Bürger lautet, wer nimmt heute den Platz der Polis, des Stadtstaates in Zeiten von Aristoteles ein?

In den Zeiten des Aristoteles umfasste ein Stadtstaat griechischen Ausmasses nicht nur den Stadtkern, sondern auch das weitere umliegende Land, sogar Kolonien gehörten dazu. Der Stadtstaat ist vergleichbar mit einem heutigen souveränen Staat.Heute lautete der oben angeführte Satz über die aristotelische Polis und ihre Bedeutung für das gute Leben seiner Bewohner, ein vereinigtes Europa vorausgesetzt, so:

„Die Entwicklung der europäischen Regionen endet mit einem vereinigten Europa“

Viele unsere Probleme heute, die uns Europäern heute auf den Nägeln brennen und die uns in unserem guten Leben behindern, können nur gemeinsam gelöst werden. Nicht mit 27 nationalen Regierungen, nicht mit 27 nationalen Parlamenten, nicht mit einem europäischen Rat und einer europäischen Kommission. Sondern mit nur einem europäischen Parlament, einer europäischen Regierung und einem europäischen Verfassungsgericht. Wie die Vereinigung Europas zu einem föderalen, sozialen, freien und subsidiären Bundesstaat vonstatten gehen könnte entscheiden wir Europäer selber. In unserer Europahymne, deren Text von Friedrich von Schiller stammt, heisst es, dass alle Menschen Brüder werden, wo dein sanfter Flügel weilt. Der sanfte Flügel weilt dort, wo Menschen sich in Freiheit aneinander binden, nicht wo sie aneinander gebunden werden.

Und mit der Vereinigung Europas zu einem föderalen Staat ist die Geschichte nicht zu Ende. Die Bürger der Welt, die sich nach Freiheit und Wohlstand und Frieden und Erhaltung unserer natürlichen Ordnung sehnen, können es uns Europäern gleichtun. Die Vereinigten Staaten von Europa, die Vereinigten Staaten von Amerika (damit ist ganz Amerika gemeint, sowohl Nord- als auch Südamerika), die Vereinigten Staaten von Asien, von Afrika und Australien bilden so die Vereinigten Nationen. Eine von den Folgerungen ist dann z. B., es gibt keine Armee mehr, denn es gibt dann ja keine Kriege zwischen Staaten mehr. Dafür braucht es eine starke Weltpolizei.

Unser sozialdemokratischer Parteifreund Heinrich August Winkler, hat in seinem opus magnum "Die Geschichte des Westens" geschrieben, dass sich im Westen durch den christlich-jüdischen Gottesglauben, der die Gleichheit der Menschen vor Gott bezeugt, durch diesen Glauben seien auch die allgemeinen Menschen- und Bürgerrechte im Westen begründet worden. Also die Gleichheit aller Menschen vor Gott auch vor allen menschlichen Gesetzen. Im Laufe der Geschichte des Westens habe sich gleichsam ein normatives Menschenrechtsprojekt zu einem normativen Menschenrechtsprozess entwickelt. Heinrich August Winkler beschreibt damit den politischen Kampf um allgemeine Menschen- und Bürgerrechte nicht nur für uns im Westen sondern für alle Menschen auf der Erde.{2}

Wir Sozialdemokraten bekennen uns zu diesen Werten und kämpfen bzw. arbeiten für deren Realisierung. Wir alle zusammen können das. Und das ist unser sozialdemokratisches Evangelium, unsere frohe Botschaft.

Es lebe ein vereinigtes Europa! Long live a united Europe! Vivre l’Europe unie!

{1} Aristoteles, Politik, übersetzt und mit einer Einleitung sowie Anmerkungen herausgegeben von Eckart Schütrumpf, Felix Meiner Verlag Hamburg 2012, Seite XIX.

{2} Heinrich August Winkler, Die Geschichte des Westens, Die Zeit der Gegenwart, C. H. Beck 2015, Seite 579ff.

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