"Wie alle Mädchen aus Lechhausen so stehe ich Abend für Abend hier am Wall. Und warte auf die fremden Schiffe aus Hongkong, aus Java, aus Chile und Nepal", singt Kurt Idrizovic gemeinsam mit rund 60 Spaziergängern am Wasser der Kahnfahrt.
Wäre der Magistrat den Visionen des Architekten Albert Gollwitzer mutig gefolgt, hätte der Magistrat 1902 der IHK nicht gestattet, in den Klaukewiesen zu bauen, ja dann ... dann hätte Augsburg heute wohl einen Hafen und über die Donau eine direkte Verbindung zu den Weltmeeren. Und dann hätten Schlagersänger die Lechhauser Mädchen, die nach ihren Matrosen Ausschau halten, besungen und Lechhausen weltberühmt gemacht. Wäre, hätte, würde ... der Konjunktiv wurde an diesem Sonntagmittag öfter bemüht, weil Visionen und Pläne beschrieben wurden, die nie realisiert wurden. "Wir würden jetzt genau an diesem Ort direkt im Hafenbecken stehen", sagte Kurt Idrizovic in der Bert-Brecht-Straße. Den Hafenspaziergang hatte seine "Buchhandlung am Obstmarkt" gemeinsam mit der SPD Lechhausen veranstaltet. Deren Vorsitzende Angelika Lonnemann sagte bei der Begrüßung, dass sie sich sehr über die gute Zusammenarbeit mit Kurt Idrizovic freue. Seit Anfang 2018 gab es vier gemeinsame kulturelle Veranstaltungen. Als gebürtiger Lechhauser ist Idrizovic dem Ort seiner Kindheit noch verbunden, auch wenn er inzwischen in Pfersee wohnt. Auch an den weiteren Stationen des Rundgangs ließ Idrizovic den Hafen und die Arbeiter vor dem inneren Auge der Zuhörer erscheinen. "Hier stehen die Lastkräne, die die Textilballen auf die Schiffe heben. Wir spüren die Industrialisierung unter unseren Füßen, hier, wo wir auf den Gleisen der Localbahn stehen. Wir riechen das Wasser des Proviantbaches, der so mächtig ist und auch früher schon war, so dass er das Herzstück des Kanals hätte werden sollen". Nicht nur Kurt Idrizovic, auch viele der rund 60 Spaziergänger schienen es immer wieder zu bedauern, dass der Stadtrat damals nicht mutiger war, und die Ingenieure und Architekten rangelassen hat, um für schnellere Transportmöglichkeiten als Pferdefuhrwerke zu sorgen. "Dass Stadträte alles besser wissen als Fachleute, das gibt es ja heute auch noch", merkte ein Augsburger augenzwinkernd an. Die Pläne des Augsburger Architekten hatten sich bis zum Prinzen Luitpold von Bayern herumgesprochen, der hatte dann auch gleich einen anderen Plan entwickeln lassen. Besser sollte lieber München eine Hafenstadt werden, ein Kanal sollte zwischen München über Aichach und Nürnberg bis zur Donau führen, mit lediglich einem kleinen Stichkanal nach Augsburg. Ein paar Jahre später hatte die immer bessere Versorgung der bayerischen Städte durch die Eisenbahn die Hafenpläne erstmal erledigt. Lebendig, pfiffig und mit vielen wundersamen Details erzählte, sang und zitierte Idrizovic. Der stimmgewaltige Chor der Teilnehmer sang fröhlich mit, als Idrizovic Liedzettel austeilte und den spontanen Chor mit dem Lobgesang auf "Albert, oh Albert" dirigierte: "Deine Heimat ist das Meer, deine Freunde sind die Sterne, über Pfersee und Shanghai, über Spickel und Hawai". Noch bis 1940 waren in den Stadtplänen in Lechhausen noch Flächen reserviert, falls das Hafenprojekt doch noch hätte kommen sollen. Im Anschluss an den Hafenspaziergang gab es noch Gelegenheit den Wasserturm am Gänsbühl zu besichtigen und einen dreiminütigen animierten Film über den Augsburger Hafen anzusehen, den Studenten der Hochschule Augsburg geschaffen haben.