Einen für SPD-Neujahrsempfänge ungewöhlichen Redner konnte der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Lechhausen Hüsseyin Yalcin ankündigen:
Dorin Genpo Zenji, Zen-Priester, Leiter des Bodaisan Shoboji und Vizipräsident im Weltdachverband der Buddhisten. Oder anders ausgedrückt: Genpo Döring, in Altötting geborener ehemaliger Polizist, der heute in Dinkelscherben wohnt und dort für die SPD für den Gemeinderat kandidiert!
Seine nachdenkliche Rede zum Thema "Was Frieden ist!" erhielt starken Beifall.
Neben der Vorstellung der SPD-Stadtrats-Kandidatinnen und Kandidaten, den Glückwünschen zum Geburtstag für gleich zwei Vorstandsmitglieder (Marianne Hinterbrandner und Claudia Zerbe) stimmte Gerhard Siegl mit seinen Liedern die Besucher musikalisch ein.
Höhepunkt zum Schluß: Augsburg SPD-Oberbürgermeister-Kandidat Dr. Stefan Kiefer eilte noch von einem anderem Termin herbei und ließ es sich nicht nehmen, drei der wichtigsten kommunalpolitischen SPD-Forderungen für Lechhausen darzustellen.
Was Frieden ist: Neujahrsansprache am 26.01.2014
Von Genpo Döring
Liebe Genossinen, liebe Genossen Sehr geehrte Damen und Herren
Vielen Dank für die Einladung und die Möglichkeit die Neujahrsansprache für 2014 halten zu können.
Es ist mir eine Ehre heute hier bei Euch zu sein und darüber zu sprechen dürfen, was für mich Frieden ist. Ganz besonders möchte ich mich bei Hüseyin Yalcin, Eurem Vorsitzenden, bedanken. Wir kennen uns schon seit mehr als 10 Jahren vom Tisch der Religionen in Augsburg und anderen gemeinnützigen Projekten. Er ist mir ein sehr guter Freund geworden und ich freue mich immer ihn und seine Familie zu treffen.
Hüseyin, hat mich bereits sehr genau vorgestellt und wichtige Stationen meines Werdegangs aufgezeigt. Dennoch möchte ich noch einige persönliche Anmerkungen hinzufügen.
Ich bin seit 32 Jahren verheiratet, meine Frau ist Japanerin, wir haben drei erwachsene Kinder, ich war einmal Polizeibeamter, bin seit mehr als 40 Jahren Buddhist, seit 22 Jahren Buddhistischer Priester, Sozialdemokrat. Mit 17 Jahren fing ich an mich mit der buddhistischen Lehre zu beschäftigen, wurde mit 19 Polizeibeamter, trat etwas später der SPD bei. Nach fünfeinhalb Jahren quittierte ich aus Gewissensgründen (Stichwort: Atompolitik u. Wackersdorf) den Polizeiberuf und etwas später trat ich aus der SPD aus. Zu jener Zeit schien es mir so, als wäre es nicht möglich Buddhist und Sozialdemokrat zu sein. Heute sehe ich das anders und bin vor einigen Jahren wieder in die SPD, im OV Dinkelscherben eingetreten. Buddhistische Gedanken und Weltanschauung sind sehr wohl miteinander vereinbar und stimmen in vielen Bereichen überein. Gerade wenn es um Gerechtigkeit, Bildung, Frieden, Umweltschutz und Verantwortung für das Leben geht.
Nun aber zum eigentlichen Thema: „Was Friede ist“
Auch wenn es in Deutschland und Europa den Anschein hat, dass Frieden herrscht, sollten wir uns von dieser Art „Frieden“ nicht täuschen lassen und bestrebt sein, die Grundlagen für einen echten und dauerhaften Frieden zu schaffen.
Von deutschem Boden sollte nie wieder Krieg ausgehen und deshalb ist es meines Erachtens notwendig immer wieder zu überprüfen ob und in wie weit dieses Versprechen und dieser Vorsatz eingehalten wird. Deutschland ist u. a. Standort für Rüstungsindustrie und exportiert Waffen und Kriegsmaterial in alle Welt. Deutsche Soldatinnen und Soldaten werden an Krisenherden außerhalb Deutschlands eingesetzt. Dabei setzen diese ihre Gesundheit und ihr Leben aufs Spiel. In wie weit dies zur Aufgabe der Bundeswehr gehört und ob dies alles zum Frieden beiträgt, sollte immer wieder hinterfragt werden.
Welche Art von Frieden wünschen wir uns? Wirklicher Frieden beginnt in den Herzen der Menschen! Wenn wir den großen Frieden erreichen möchten, müssen wir den kleinen Frieden in uns selbst entwickeln und jeden Tag in unserer nächsten Umgebung praktizieren. Dazu ist es notwendig, dass sich jeder Mensch selbst fragt, was er dazu beitragen kann, Frieden zu schaffen. Aber auch: Wie verhalte ich mich in Konfliktsituationen, bei Streit und Auseinandersetzungen?
Dazu hätte ich noch viele Fragen, von denen ich heute jedoch nur einige wenige anführen möchte:
Was können wir, als politisch und/oder religiös engagierte Menschen, dazu beitragen, dass es in unserem Land und auf dieser Welt gerechter und friedlicher zugeht? Warum sind Wenige so immens reich und Viele so ungeheuerlich arm? Wie kann es mir gut gehen, wenn es meinen Nachbarn schlecht geht? Können wir guten Gewissens so tun, als gingen uns die Probleme der Welt nichts an? Welchen Anteil tragen wir daran, dass in vielen Teilen der Welt Armut, Ausbeutung, Hunger und Krieg vorherrschen? Ist das, was Wirtschaftswachstum genannt wird, vielleicht nichts anderes als Umverteilung? Umverteilung von Arm nach Reich?
Wir müssen nicht weit gehen um festzustellen, dass auch in unserem Lande immer wieder der kleine und der große Frieden gebrochen werden. Dabei wird gelegentlich bedenkenlos Gewalt eingesetzt, keine Rücksicht auf Gesundheit, Leben und Eigentum genommen. Doch mit Gewalt kommt es nie zum Frieden. Gewalt provoziert Gegengewalt und setzt so eine unendliche Spirale in Gang.
Zur Zeit findet der kommunale Wahlkampf statt und wir können feststellen, dass es da manchmal nicht wirklich friedlich zugeht. Aber auch, wenn wir ins Auto einsteigen, oder mit dem Fahrrad fahren, oder als Fußgänger unterwegs sind (besonders hier in Augsburg), können wir ständig erleben, dass es mit dem friedlichen Zusammenleben gelegentlich nicht so weit her ist. Hinter dem Steuer oder in der Anonymität wird so manches vergessen.
Wenn wir in der Familie, im Freundeskreis oder in der Arbeit mit schwierigen Situationen und Problemen konfrontiert werden, ist es oft nicht einfach friedlich zu bleiben und sich lösungsorientiert zu verhalten.
Alle wollen Frieden, so scheint es. Doch warum ist es so schwer friedlich zu sein? Was hindert uns daran die Welt in ein Paradies zu verwandeln?
Frieden ist kein Zustand, der von selbst entsteht oder der ohne Grund verschwindet. Frieden ist ein ständiger Prozess, der die gesamte Menschheit betrifft und letztendlich jeden einzelnen Menschen herausfordert.
Wir kennen alle die Goldene Regel: „Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu!“ Die Regel wird meistens verdreht angewendet: „Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füge schnell dem Andern zu!“ Solches Verhalten wirkt sich zerstörerisch aus.
Wir sollten einmal genau hinsehen, wie wir Menschen miteinander umgehen, wie wir uns in Konflikten verhalten oder wie wir uns gegenüber unseren tierischen Mitwesen, unserer Umwelt und der Natur verhalten. Wollen wir Teilen lernen und auch Pflanzen und Tieren ausreichend Lebensraum überlassen?
Der Mensch behauptet zwar, er sei die Krone der Schöpfung und setzt deshalb voraus, er dürfe er sich die Erde untertan machen. Doch wenn wir Menschen uns weiterhin von Gier, Hass und Ignoranz leiten lassen, werden wir uns selbst die Lebensgrundlagen auf diesem Planeten zerstören.
Frieden hat eben auch sehr viel mit Verantwortung zu tun, etwa dann, wenn wir Menschen entscheiden, wie wir unseren Lebensunterhalt verdienen wollen. Welchen Beruf habe ich ergriffen?
Frieden ist nicht nur die Abwesenheit von Krieg und bewaffneten Konflikten. Frieden fordert auch Einsatz für Demokratie und die Menschenrechte. Das heißt nicht, dass alle Konflikte vermieden werden können. Aber sie sollen prinzipiell gewaltlos ausgetragen werden.
Es ist ein Beitrag zum Frieden, wenn Kinder und Erwachsene lernen, sich beispielsweise in der Familie zuzuhören, sich zu respektieren und Streit ohne Gewalt beizulegen. Erwachsene sind die Vorbilder an denen sich Kinder und Heranwachsende orientieren.
Unter anderem ist es ein Beitrag zum Frieden wenn Menschen in öffentlichen Positionen mit gutem Vorbild voran gehen. Zum Beispiel auf Wahlversammlungen, Podiumsdiskussionen oder im Fernsehen. Wieder lernen zuzuhören, den Anderen aussprechen lassen und mit guten Argumenten zu antworten, anstatt mit Beleidigungen und Polemik. Es ist eine gute Übung, anstatt die Stimme zu erheben und laut zu werden, zu überlegen mit welchem Argument ich eine Behauptung widerlegen kann.
Zum Frieden gehört Erinnerung, gehört das Wissen um die Vergangenheit, gehört das Gedenken an Menschenrechtsverbrechen und Unrecht. Auf diese Weise kann der gegenwärtige Zustand des Friedens bewusst werden.
Wenn ich vom Frieden spreche, dann meine ich das Abstandnehmen von personeller Gewalt und struktureller Gewalt.
Dies gilt ebenso für das staatliche Gewaltmonopol, welches selbstverständlich nur auf Rechtsstaatlichkeit beruhen kann. Der Bürger muss sich sicher sein können, dass zum Beispiel die Regierung, die Justiz, Behörden oder die Polizei dieses Monopol nicht missbrauchen.
Ohne Gewaltmonopol wäre eine Zivilisierung öffentlicher Konflikte nicht möglich. Doch die Gewalt muss entprivatisiert werden und die Bürger werden sich dann diesem Gewaltmonopol unterordnen. Willkür muss dabei ausgeschlossen sein.
Die Limitierung des Gewaltmonopols und des Bürgers bedarf rechtstaatlicher Prinzipien und deren Institutionalisierung durch öffentliche demokratische Kontrolle. Dadurch wird eine Grundlage für lösungsorientierte und gewaltfreie Austragung von Konflikten geschaffen. In politische Prozesse und Entscheidungsfindung müssen die Interessen der Bürger integriert werden.
Die Fähigkeit auf die Bedürfnisse der Bürger einzugehen, sowie Transparenz und Offenheit der rechtstaatlichen-demokratischen Institutionen entscheiden über deren Belastbarkeit in gesellschaftlichen Krisen-, und Konfliktsituationen.
Soziale Gerechtigkeit und kompromissorientierte Konfliktfähigkeit tragen ebenfalls grundlegend zu einem friedlichen Zusammenleben bei. Eine aktive Politik der Chancen-, Bildungs- und Verteilungsgerechtigkeit als auch der Bedürfnisgerechtigkeit sollte selbstverständlich sein.
Soziale Gerechtigkeit ist eine konstitutive Bedingung der Lebensfähigkeit von rechtsstaatlichen Ordnungen und damit ein Garant des inneren Friedens. Eine faire Möglichkeit der Artikulation und des Interessenausgleichs im Rahmen eines demokratischen Rechtstaats und sozialer Gerechtigkeit bildet bei gleichzeitiger Sozialisation die Basis für Toleranz und eine kompromissorientierte Konfliktfähigkeit.
Ich bin mir sicher, dass ich mit meinen Ausführungen nichts Neues oder Unbekanntes erläutert habe und eigentlich bei Euch nur offene Türe aufgestoßen habe.
So danke ich Euch allen für Eure Aufmerksamkeit und wünsche Euch und uns ein glückliches und erfolgreiches Jahr 2014!
Mögen alle unsere Wünsche für eine glückliche Zukunft in Erfüllung gehen!