Wo der junge Brecht schwamm, dichtete, liebte

13. Juni 2018

"Lechhausen ist der Schlüsselort zu Brechts Werk", sagte Kurt Idrizovic, Brecht-Kenner und Buchhändler, zur Begrüßung. Die SPD Lechhausen hatte zum sonntäglichen Spaziergang "Baals Welt in Lechhausen" eingeladen. Mit der freundlichen Übertreibung des "Schlüsselortes" besorgte sich Idrizovic, der übrigens in Lechhausen aufgewachsen ist, gleich zu Beginn das Wohlwollen der rund 30 Teilnehmer des Spaziergangs, die sich an sieben Stationen von Idrizovic unterhalten ließen.

Idrizovic hatte acht Bücher dabei, aus denen er abwechselnd vortrug. Gedichte, Briefe und Tagebucheinträge erzählten von der intensiven Jugendzeit Brechts, die ihn immer wieder an den Lech, in die Wolfzahnau und nach Lechhausen führte. Hier erlebte er mit der befreundeten Clique intensive Momente von Naturerfahrung, gemeinsames Philosophieren und erste sexuelle Erfahrungen. Im Alter von 20 Jahren schrieb Brecht die erste Fassung von "Baal", einem expressionistisches Drama um einen saufenden Künstler, der sich mit der bürgerlichen Gesellschaft überwirft und lebenshungrig die Welt erstürmen will. Brechts Freund Hanns Otto Münsterer beschrieb die gemeinsame Jugendzeit zwischen Bleich und Lechhausen später als eine Phase "baalischen Weltgefühls".

Wenn Brecht nicht schlafen konnte, ging er an den Lech, so schrieb er es seiner Freundin. Mit Marianne lag er im Griesle, Paula wollte er in den Lechauen küssen. In seinen Texten kommen die Weizenfelder bei Lechhausen vor, das Haselgestrüpp des Lechrains oder das Lechwehr. Oft trafen sich die Freunde in der Wolfzahnau. Hier erlebten sie intensive Begegnungen in einer romantisch aufgeladenen Atmosphäre. Auf der Lechhauser Kirchweih ging Brecht zum Schiffschaukeln. Und einmal war zwischen St. Pankratius und der Pankratiusschule ein Seil gespannt, da beobachtete Brecht die wagemutigen Seiltänzer. Und immer wieder verwandelte Brecht diese Erfahrungen zu Gedichten oder Liedern, die er dann schon kurz darauf den Freunden wieder vortrug.

"Wir haben die Hitze gar nicht so gemerkt, weil es so interessant war", sagten eine ältere Dame im Anschluss an den Rundgang. "Ich kannte bisher nur den politischen Brecht, heute habe ich einen ganz anderen, expressiven kennengelernt", sagte eine andere. Die Vorsitzende der SPD Lechhausen, Angelika Lonnemann, dankte Idrizovic für die "kurzweilige Reise durchs wilde Lechhausen" und die vielen Stunden intensiver Vorbereitung. Die nächste gemeinsame Veranstaltung von SPD Lechhausen und Buchhandlung am Obstmarkt wird am 7. Oktober eine Hafenrundfahrt durch den nie gebauten Augsburger Hafen gegenüber von Lechhausen sein.

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